GESCHICHTE / PRAXIS
Jigoro Kano wurde am 28. Oktober 1860, als Abkömmling eines armen Samurai-Clans, in der Stadt Mikage, in der Präfektur Hyogo (in der Nähe von Kyoto) geboren. Im Alter von 10 Jahren starb Kanos Mutter und seine Familie übersiedelte 1871 nach Tokyo. Kano zeigte sich begabt für Fremdsprachen und besuchte ab seinem 15. Lebensjahr eine Fremdsprachenschule in Tokyo. 1877 begann Kano an der "Tokyo Teikoku" der Kaiserlichen Universität in Tokyo (heute Universität Tokyo) zu studieren. Angeblich soll er dort durch den deutschen Medizinalrat Bälz (oder Baelz) zum Studium des Ju-jutsu animiert worden sein. Dieses ist jedoch nie bewiesen worden. Weder bei Kano noch bei Bälz gibt es Aufzeichnungen hierüber.
Im Alter von 18 Jahren begann Kano mit dem Studium des Ju-jutsu bei den letzten der alten Ju-jutsu-Lehrern. Obwohl er keineswegs über ideale körperliche Voraussetzungen verfügte, erlernte er bei seinem ersten Lehrer Yagi Teinosuke in kurzer Zeit die "Techniken der Griffe und Würfe". Später, ab 1877, setzte er seine Studien bei anerkannten Meistern wie Fukuda Hachinosuke und Iso Masatomo der "Tenjin shinyo" Schule, sowie (ab 1881) bei Iikubo Kuwakichi der "Kito" Schule fort.
Nach Abschluss seines Universitätsstudiums trat Kano in die Hochschule für Adlige ein, eine privilegierte Lehranstalt, die ihm Zugang zu wichtigen Staatsämtern ermöglichte. Trotzdem blieb er den Kampfkünsten treu. Er entwickelte sie weiter und eröffnete im Jahre 1882 in Shitaya, in einem Tempel, dem Eisho-Schrein, eine eigene Kampfsportschule, das "Ko-do-kan" (Ort zum Studium des Weges). Das "Do-jo" (der Trainingsraum) des "Ko-do-kan" war äußerst klein und mit nur 12 Tatami (Matten) ausgelegt. Lediglich neun Schüler unterrichtete Kano dort. Sein erster Schüler war Tsunejiro Tomita. Später kam der wegen seines legendären "Yama-Arashi" (zu deutsch "Bergsturm" - ein Judo-Wurf) bekannte Shiro Saigo hinzu.
Kanos Schüler mussten für den Unterricht nichts bezahlen. Ganz im Gegenteil, sie wurden von Kano als Gäste behandelt und von ihm bewirtet. Den im Ko-do-kan unterrichteten Sport nannte Kano Judo, was soviel wie "sanfter Weg" oder "weicher Weg" bedeutet. Mit der Silbe "Do" wollte er darauf hinweisen, dass sich der Übende nie am Ziel seiner Ausbildung befindet. Immer ist er auf dem Weg dorthin... immer ist er Lernender. Mit der Silbe "Ju", die ja auch schon früher im Ju-jutsu enthalten war, soll das Prinzip "Siegen durch Nachgeben" verdeutlicht werden. Es kam Kano also nicht nur auf die Kunstfertigkeit (Jutsu) der Techniken an. Er wollte durch die Silbe "Do" auf das geistig-moralische Prinzip seines "Ju-do" hinweisen. Allerdings gab es "Ju-do" bereits. Die "Ji-ki-shin"-Schule nannte ihre Kampfkunst ebenfalls "Ju-do". Um sich von diesem System zu unterscheiden, hieß die von Kano gelehrte Kampfsportart "Ko-do-kan Ju-do"; also das "Ju-do", das im "Ko-do-kan" gelehrt wurde. Viele der alten Samurai-Kampftechniken waren im neuen Judo ersatzlos gestrichen. Neue Techniken wurden entwickelt. Am Ende war eine Kampfsportart entstanden, die gefahrlos als Zweikampf-Sportart betrieben werden konnte und heute weltweit anerkannt ist. Judo sollte jedoch nicht nur Kampfsport, sondern auch "geistiges Training" sein. Körper und Geist sollten in einen Zustand der Harmonie und Ausgeglichenheit versetzt sein. Recht lange hat es jedoch gedauert, bis das Kodokan und das dort unterrichtete Judo anerkannt wurden. Konkurrierende Schulen betrachteten das Kodokan im negativen Sinne als "Schule für Intellektuelle". Judo wurde nicht ernst genommen.
Die Führer anderer Schulen erklärten öffentlich, dem Kodokan würden die praktischen Fertigkeiten fehlen. Sie bezeichneten Kano als einen Bücherwurm, der seine Techniken bei den echten Meistern der Kampfkünste gestohlen habe. Besonders angegriffen wurden Kano und das Kodokan durch die Schule "Ryoi shinto-Ryu". Der Führer dieser Schule, Totsuka Hikosuke, zog in Presseartikeln über das Ko-do-kan her. Zusammenstöße seiner Schüler mit den Schülern Kanos wurden bewusst provoziert.
Im Jahre 1886 ordnete die Kaiserlichen Polizeiverwaltung die Durchführung eines Entscheidungskampfes zwischen den beiden Schulen an. Man war entschlossen, Ordnung in das Erziehungssystem im Lande zu bringen. Als Norm beabsichtigte man eine einzige, besonders effektive Schule auszuwählen. Hierzu sollte dieser Entscheidungskampf dienen. Beide Schulen stellten jeweils 15 ihrer besten Meister auf. Kanos Schüler gewannen, mit Ausnahme von zwei Unentschieden, alle Kämpfe. Kein Kodokan-Meister verlor auch nur einen Kampf. Deutlicher konnte die Überlegenheit des neuen Systems gegenüber dem alten Ju-Jutsu kaum ausfallen. Kano vervollkommnete und ergänzte seine Judotechniken weiter. Systeme wie die "Go-Kyo" wurden geschaffen. Bis zum Jahre 1894 leitete Kano seine Schule allein. Dann wurde ein Gremium, der "Kodokan-Rat" ins Leben gerufen. 1900 kam als weiteres Organ die "Vereinigung der Dane" (Dan = Meister) hinzu.
1909 erhielt das Kodokan den Status einer Stiftung. Präsident wurde Jigoro Kano.
1911 gründete Kano den japanischen Amateursportverband und wurde dessen erster Präsident.
1918 Gunji Koizumi (damals 7. Dan) begann Judo in England zu lehren und gründete den "Budokwai" in London.
1922 Mikinosuke Kawaishi (damals 7. Dan) lehrte Judo in Frankreich
1930 fanden in Japan die ersten nationalen Meisterschaften im Judo statt.
1938, am 4. Mai, starb Kano im Alter von 79 Jahren an einer Lungenentzündung während der Rückreise von Europa nach Japan. Jiro Nango wurde sein Nachfolger als Präsident des Kodokan.
1946 Jiro Nango stellte sein Amt als Präsident des Kodokan zu Gunsten von Kanos Sohn, Risei Kano, zur Verfügung.
1952 Sumiyuki Kotani (damals 8. Dan) unterrichtete erstmals ausländische Judoka (der American Air Force) im Kodokan.
1958 wurde das Kodokan erneut verlegt. In Tokyo wurde ein komplett neues Dojo erstellt.
1964, bei den Sommerspielen in Tokyo, wurde Judo zum ersten Mal olympische Sportart.
Nachdem auch das neue Dojo des Kodokan nicht mehr ausreichte, wurde in der Zeit von 1982 bis 1984 ein komplett neuer Trainingstrakt angebaut. In sieben Etagen kann man dort Judo trainieren. Die 8. Etage ist als Galerie mit 460 Sitzplätzen ausgebaut. Von dort aus kann man auf das "Main-Dojo" mit 420 Tatami in der 7. Etage blicken.
Quelle: http://de.wikipedia.org